Mitgehen oder aussteigen?

16.02.2007, Lesen Sie hier den Bericht über «Mitgehen oder aussteigen?»

Pokerreisende Spielend zum großen Geld: Immer mehr Deutsche setzen sich an den Spieltisch - denn auch im Urlaub locken Gewinne. Spielermetropolen wie Las Vegas und Macau verzeichnen steigende Besucherzahlen und satte Umsätze.

Von Marc Reisner www.szon.de Der Typ gegenüber grinst, als wolle er seine Zähne fletschen. Dann schiebt er langsam seine Sonnenbrille auf die Stirn und schaut alle Mitspieler am Tisch der Reihe nach an. Klar: Viel hat er nicht auf der Hand, mit seinem Bluff bringt er höchstens Anfänger zum Aussteigen. Aber von denen gibt es selbst in der Spieler-Hauptstadt Las Vegas jede Menge. Denn die Metropole in der Wüste Nevadas zieht Jahr für Jahr weit mehr als 30 Millionen Besucher in ihren Bann. Auch immer mehr Deutsche suchen an den Pokertischen ihr Glück.

Besonders beliebt ist dabei die Poker-Variante Texas Hold'em, bei der jeder Spieler zwei Karten in der Hand hält und mit fünf nach und nach aufgedeckten Karten ein möglichst hohes Blatt bildet. Das Spiel beginnt. Einer der Teilnehmer zahlt den Big Blind, einen zuvor bezifferten Grundeinsatz, ein anderer den Small Blind, der die Hälfte des Big Blinds ausmacht. Jetzt teilt der Croupier die Karten aus. Rechts steckt eine Frau sich einen Kaugummi in den Mund, links wischt sich ein Spieler die Handflächen an der Jeans ab. Jeder lugt vorsichtig auf seine Karten - bloß nicht dem Gegner einen flüchtigen Einblick gewähren, lautet die Devise.

Vor knapp zwei Jahren wurden die Bundesbürger mit dem Pokervirus infiziert. Damals liefen die ersten Übertragungen im Sportfernsehen. Heute betreiben bereits Zigtausende in Online-Kasinos und zunehmend in Spielbanken und privaten Pokerrunden das Kartenspiel, das durch seine Mischung aus Zufall, Mathematik und Psychologie besticht. Laut einer Umfrage der Online-Spielplattform ISA-Casinos würden 38 Prozent der Spieler sich auch weltweit auf Tour machen, um Gleichgesinnten die Chips aus der Tasche zu ziehen.

Jetzt eine Zigarette - aber Rauchen ist in praktisch allen Pokerrunden verpönt. Die Frau nebenan steigt schon in der ersten Runde aus. Der Mann links zögert, vielleicht etwas zu lang, um glaubhaft zu wirken. Dann geht er mit, muss also den Grundeinsatz in die Mitte werfen. Der Typ gegenüber verdoppelt, aber auf seiner Stirn stehen ein paar kleine Schweißtropfen. Dabei läuft die Klimaanlage auf Hochtouren.

Auf nach Las Vegas Die beste Reisezeit für Las Vegas liegt zwischen März und Mai sowie von September bis Anfang November, wenn es nicht mehr so heiß ist. Dann können die Besucher in den Außenpools schwimmen, Shoppen und über den Las-Vegas-Boulevard, den berühmten "Strip" flanieren. In den meisten Hotels gibt es auch Kasinos, die allerdings nicht immer so prächtig sind, wie im spektakulären Luxushotel "The Wynn". Städtereisen in die Spielermetropole haben die meisten Anbieter im Programm, in der Regel sind solche Packages auch günstiger als selbst zusammengestellte Arrangements.

Der Croupier deckt mit ungerührter Miene den Flop auf, die ersten drei Gemeinschaftskarten. Der Typ gegenüber mustert die Gesichter der verbliebenen Spieler am Tisch, ohne einen Blick auf die Karten zu werfen. Der junge Spieler neben ihm dreht seinen MP3-Player ein bisschen lauter. So richtig gute Karten scheint keiner zu haben: Jeder klopft kurz mit den Knöcheln auf den Tisch. Das bedeutet "check", "ich gehe mit". Niemand redet, außer den Hintergrundgeräuschen im Kasino hört man nur gelegentlich das leise Klicken der Chips.

Gespielt wird überall auf der Welt. Aber nicht überall ist das Kasino-Geschäft so organisiert, wie in den USA, dem Lieblingsziel der Poker-Reisenden. Immerhin 66 Spieltische bietet aber auch das Grand West Casino bei Kapstadt in Südafrika, 24 Stunden am Tag können Spielfreudige ihrem Hobby nachgehen. Das ist natürlich nichts gegen die 740 Tische, die im größten Kasino der Welt stehen im "The Sands" in Macau. In der chinesischen Großstadt am Perlfluss, von Hongkong aus mit der Fähre in knapp einer Stunde zu erreichen, boomt das Glücksspiel, seit es Mitte des 19. Jahrhunderts erlaubt wurde. Heute hat die einstige portugiesische Kolonie dem großen Vorbild Las Vegas in Sachen Umsatz, Kasinos und Glamour den Rang abgelaufen. Dafür sorgen auch "Spielplätze" wie das "The Wynn Macau", in das der Kasino-Magnat Steve Wynn rund 1,1 Milliarden Dollar, etwa 845 Millionen Euro, investiert hat, und das hinter seiner beeindruckenden Glasfassade 220 Spieltische aufweist.

Am Tisch wird jetzt der Turn aufgedeckt, die vierte Karte. Jeder Spieler kann jetzt noch einmal erhöhen, mitgehen oder aussteigen. Der Typ gegenüber presst die Kiefer aufeinander, während er die Kombinationsmöglichkeiten seiner Gegner berechnet. Der junge Spieler mit dem Walkman schaltet das Gerät ab. "Ich bin weg", sagt er halblaut.

Letzte Runde: Der River, die letzte Gemeinschaftskarte wird aufgedeckt. Der Mann links grinst. Ein Bluff, ganz sicher. Der Typ gegenüber erhöht den Einsatz noch einmal. Und dann ist es Zeit für den Showdown. Jetzt kommen die Karten auf den Tisch. Der Typ gegenüber zeigt zwei Könige, eine Zehn, eine Acht und eine Sieben. Nicht schlecht. Doch der Mann links blättert genüsslich drei Buben nacheinander auf, einen Drilling. Und dann zieht er den Berg von Chips zu sich heran, der sich in der Mitte des Tisches angesammelt hat. Für ihn hat sich diese Reise gelohnt.

Informationen Visit Las Vegas, Sonnenstr. 9, 80331 München. Tel. 089/ 23662139, www.visitlasvegas.de Fremdenverkehrsbüro Macau, Schenkendorfstr. 1, 65187 Wiesbaden, Tel. 0611/ 2676730, E-Mail: macau@discover-fra.com, www.macau-info.de

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