Der Poker-Psychotherapeut: Das Konzept der Übertragung

09.03.2009, Einer der häufigsten und wichtigsten Aspekte bei einer Psychotherapie ist das Konzept der Übertragung. Grundsätzlich könnte man dies so beschreiben – es gibt immer wieder Zeiten in Beziehungen, in welchen man die eigenen Bedürfnisse, Wünsche oder auch die eigenen Ängste auf andere übertragen möchte.

In einer Therapie kommt dies sehr oft vor, wenn ein Patient seinen Therapeuten entweder mag oder nicht mag. Wenn jemand Sie an Ihre liebenden Eltern oder an Ihren bösen Chef erinnert, werden Sie oft auch davon ausgehen, dass er auch noch andere Eigenschaften der entsprechenden Person hat, Sie übertragen Ihre Gefühle für eine Person auf eine andere Person. Der Schlüsselfaktor bei jeder Art der Übertragung ist, dass dies fast immer unbewusst passiert, deshalb sollte man versuchen eine "Übertragung" während eines Pokerspiels auf jeden Fall zu vermeiden. Dr. Tim Lavalli de.Pokernews.com

Sie müssen aufpassen. Übertragung und einen Read zu erhalten sind nicht das gleiche, obwohl sich die beiden Sachen ja grundsätzlich irgendwie ähneln. Sie hören, daß ein Spieler während einer Hand eine Meng Unsinn redet und wenn er spielt, finden Sie heraus, daß er blufft. Nun haben Sie einen Read, an welchen Sie sich erinnern werden – er redet um von seinem Bluff abzulenken. Sein unsinniges Gerede erinnert sie an John, welcher in Ihrem örtlichen Casino Poker spielt. John ist eine Nervensäge und es macht keinen Spaß gegen ihn zu spielen, aber er verliert eine Menge Chips wenn er trinkt und dieser Spieler trinkt ebenfalls.

Die zweite Beobachtung ist ein Transfer, eine emotionelle Reaktion. Sie haben keinen sachlichen Grund anzunehmen, daß dieser Spieler seine Chips ebenso "verschenken" wird wie John. Sie spielen nicht gerne gegen John, weil er nach Ihrer Einschätzung, ein Trottel ist. Sie hatten zwar die ersten Anzeichen eines Tells, als er bei seiner Bluff- Hand soviel Unsinn geredet hatte, aber Ihre restlichen Informationen haben Sie von John übertragen und nicht vom entsprechenden Spieler erhalten. Deshalb sollten Sie niemals die Eigenschaften eines Spielers auf einen anderen Spieler übertragen.

Übertragung muss nicht unbedingt negativ sein, in einer Therapie ist das häufigste Zeichen von Übertragung, wenn ein Patient damit beginnt den Therapeut zu mögen. Es passiert auch sehr oft, daß die Patienten sich in ihre Therapeuten verlieben. Das ist nachvollziehbar – sie vertrauen jemandem ihre tiefsten Geheimnisse an und derjenige hört einfach nur zu und verurteilt sie nicht, er versucht ihre Gefühle zu verstehen und versucht ihnen dabei zu helfen diese mit ihrer Lebenssituation in Einklang zu bringen. Dadurch bedingt, ist es normal, daß ab einem bestimmten (nicht bewussten) Punkt, Patienten damit beginnen sehr positive Emotionen auf ihre Therapeuten zu übertragen. Dies ist verständlich, es beruht aber auf einer "klinischen" und nicht auf einer sozialen Beziehung.

Die grundsätzliche Attraktion bei dieser konstruierten wöchentlichen Patient-Therapeut Beziehung, ist die Übertragung. Das gleiche könnte man auch über die sozialen Kontakte am Pokertisch sagen.

Jemand redet mit Ihnen über die Börse, Ihre Kinder oder Fussball. Es entwickelt sich eine Art von lockerer Freundschaft und irgendwann spielen Sie in einem großen Pot gegen ihn. Wenn Ihre "positiven" Gefühle für diese Person, die Art und Weise verändern, wie Sie diese Hand gegen ihn spielen, sind Sie zum Opfer der Übertragung geworden. Vielleicht hat er sich ja nur mit Ihnen unterhalten, um sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen.

Ich möchte Ihnen natürlich jetzt nicht empfehlen, daß Sie am Pokertisch nicht freundlich und gesprächig sein sollten. Sie sollten es aber der freundlichen Frotzelei und der Kameradschaft nicht erlauben Ihr Spiel zu beeinflussen. Diese Situation am Pokertisch ist ebenso künstlich, wie die Situation bei einer Therapie-Sitzung, deshalb sollten Sie immer daran denken, daß der Schlüsselaspekt beim Übertragen darin besteht, daß die Übertragung fast immer unbewusst vor sich geht. Wenn Sie keinen Einsatz auf dem River machen, weil der nette alte Herr auf Sitz 5 Ihnen sympathisch ist oder Sie bei der jungen attraktiven Lady auf Platz 2 niemals ein Check-Raise machen, dann sollten Sie sich unbedingt einmal sehr intensiv damit beschäftigen, wie das unbewusste Ihre Gewinnrate beeinflusst. Beim Pokern sollte es Ihr Ziel sein, so viele Chips in Ihren Chip-Stack zu übertragen wie nur möglich und diese sollte die einzige Übertragung bei Ihrem Spiel sein.

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