Mit den Casinos kommt die Sucht
Spielsucht hinterlässt biochemische Spuren im Hirn und bewirkt körperliche Abhängigkeit VON IVO MARUSCZYK «Faites vos jeux!» feuchte Hände umklammern Jetons, einarmige Banditen lauern auf Münzen. Nach langer Verbannung rollt auch in der Schweiz seit vergangenem Sommer die Roulettekugel. Verspielte Zeitgenossen können wieder im eigenen Land zocken, statt in Konstanz, Bregenz oder Evian den Staatssäckel der Nachbarn zu füllen. 21 Spielbanken haben eine Konzession erhalten - somit wird die Schweiz bald die grösste Casinodichte Europas aufweisen. Der Nervenkitzel hat indes auch eine Kehrseite: Er kann süchtig machen. Das erregende Hoffen auf den Jackpot wird zum Zwang, dem Einkommen, Arbeitsplatz und Beziehungen zum Opfer fallen. Rien ne va plus - nichts geht mehr.
Rund jeder hundertste Erwachsene ist hier zu Lande gemäss Schätzungen von Fachleuten ein krankhafter Spieler - verlässliche Untersuchungen fehlen aber. Fest steht: Je leichter das Glücksspiel erreichbar ist, umso häufiger endet es in der Sucht. Mit der Eröffnung der Spielbanken in der Schweiz wird die Zahl der Spielsüchtigen also steigen, dieser Behauptung widerspricht niemand. Allerdings sind Spielbanken zugleich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Gemeinden und Kantone freuen sich auf Touristen und hohe Umsätze. Zum Vergleich: In den damals 42 deutschen Spielbanken verspielten die Besucher Ende der Neunzigerjahre mehr als 1,3 Milliarden Franken pro Jahr, in Spielautomaten blieben 3,3 Milliarden Franken hängen.
Nur: Dass die Gesellschaft tatsächlich von der Zulassung des Glücksspiels profitieren wird, das glauben nicht alle. Laut Peter Küllmer von der Suchtberatungsstelle Basel-Land verursachen Verschuldung, Produktivitätsverlust, Armut und Straffälligkeit letztlich enorme Kosten, die von Krankenkassen, Sozialämtern etc. getragen werden müssen. «Das wird teuer», sagt Küllmer. «Ich weiss nicht, wer ernsthaft daran glaubt, der volkswirtschaftliche Nutzen des Glücksspiels übersteige den Schaden.» Im zockerfreudigen Australien liess die Regierung eine Studie über die Kosten der Spielsucht erstellen. Dabei versuchte man auch, die Auswirkungen von Scheidungen, Depressionen und sogar Selbstmorden in Dollar und Cent anzugeben. Fazit: Spielautomaten und Wettspiele können die Gesellschaft unter dem Strich mehr kosten, als sie einbringen - in Australien jährlich bis zu einer Milliarde Franken.
Die SP-Nationalrätin und Badener Einwohnerrätin Pascale Bruderer befürchtet daher, dass mit der Eröffnung der hiesigen Grand Casinos die Zahl der Sozialhilfeempfänger steigt. Nicht nur in Baden - wo die Spielbank jährlich 10 Millionen Franken in die Stadtkasse spülen dürfte - sondern in anderen Gemeinden, die keine Mehreinnahmen aus dem Casinobetrieb haben. «Ich werde das verfolgen», sagt Bruderer. «Aber es ist schwer, konkrete Zahlen zu erhalten und den Zusammenhang mit der Eröffnung der Spielbanken nachzuweisen.»
Ab 2005 soll es in Beizen und Kursälen keine Spielautomaten mehr geben Die Schweiz will es besser machen als die Nachbarländer. So schreibt das Gesetz für alle Casinos Sozialkonzepte vor, die den schädlichen Auswirkungen des Spiels vorbeugen sollen. Ausserdem sollen bis 2005 die Spielautomaten aus Gaststätten und Kursälen verschwinden. In diesen Sozialkonzepten geht es vor allem um Prävention, Schulung des Personals und die Zusammenarbeit mit Therapie- und Beratungseinrichtungen. Im Klartext: Die Spieler erhalten im Casino Informationen, die auf die Suchtgefahr hinweisen. Die Croupiers sind gehalten, auffälliges Verhalten zu melden und die Betroffenen - diskret, versteht sich - auf Hilfsangebote hinzuweisen. Und die Zusammenarbeit mit Beratungsstellen und Kliniken soll sicherstellen, dass Hilfe auch tatsächlich zur Hand ist. In Basel etwa, wo im Herbst das Airport Casino eröffnen wird, sollen Psychologen in der Spielbank selbst Sprechstunden abhalten. Was allerdings nicht bedeutet, dass sich die Casinos tatsächlich an der Therapie beteiligen. Die Sozialkonzepte sehen lediglich Schritte zur Prävention vor. Die Therapie bleibt das Problem der Suchtberatungsstellen und psychiatrischen Kliniken und Praxen. Will heissen: Die Kosten der Spielsucht tragen andere.
Auch der 45-jährige Urs R. aus dem Kanton Bern glaubte lange Zeit, den Zufall beherrschen zu können. Und spielte weiter und weiter, um mit dem grossen Gewinn der nie eintraf seine Verluste wieder hereinzuholen. Erst als er mit 80 000 Franken in der Kreide stand, erkannte der Handwerker sein Problem. Zu guter Zeit - andere häufen Schuldenberge in Millionenhöhe an. Hilfe fand er beim Zürcher Psychiater und Spielsucht-Experten Andreas Canziani. Am Anfang der Therapie stand wiederum das Spiel. An Spielautomaten und an einem kleinen Plastikroulette sprachen Urs R. und Canziani über Systeme und Gewinnquoten, Statistik, Zufall und Chancen. «Ich habe versucht, die Casino-Situation auf die Therapiesitzungen zu übertragen», erklärt Canziani. Der Patient selbst beantragte eine Spielsperre und erhielt Medikamente gegen Entzugserscheinungen wie Depressionen, Herzrasen und Übelkeit. Rückschläge sind nicht ausgeschlossen so verlor R. bei einem Rückfall im vergangenen Winter nochmals 20 000 Franken. «Er weiss, er kann nicht gewinnen», sagt sein Therapeut, «aber er kann es noch immer nicht ganz glauben.» Zugleich muss der Zocker lernen, wie er die Stimulation, die Endorphin-Schübe, die er im Spiel gefunden hat, auf anderem Weg erreichen kann zum Beispiel beim Sport. Dazu gehört auch eine Analyse der psychologischen Ursachen. So liegen dem zwanghaften Spieltrieb oft Persönlichkeitsstörungen mit mangelndem Selbstwertgefühl zu Grunde. Und schliesslich muss das soziale Umfeld mit einbezogen werden. Ist eine Schuldensanierung möglich? Welche Rolle können Partner, Eltern, Arbeitgeber spielen? Ob die Sozialkonzepte der Schweizer Casinos diese Folgen eindämmen können, ist indes fraglich. Broschüren voll guter Ratschläge und Croupier-Schulungen werden den Trend kaum aufhalten. Franz Müller-Spahn, der Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel und Mitverfasser des Basler Sozialkonzepts, gibt zu: «Das Sozialkonzept kann nicht alle problematischen Spieler herausfiltern. Aber es ist zumindest eine Chance, es besser zu machen. Ausserdem hilft das Konzept uns, das Phänomen Spielsucht besser zu verstehen.» Tatsache ist jedoch: Die Banken leben nicht nur vom Gelegenheitsspieler. Sie sind auch auf die Umsätze der regelmässigen, oft schon verschuldeten Spieler angewiesen. US-Casinobesitzer geben freimütig zu, dass eine kleine Gruppe von drei bis vier Prozent der Gäste einen Grossteil des Umsatzes trägt. So ge- riet auch die Spielbank Baden kurz nach der Eröffnung in die Schlagzeilen: Sie hatte Spielsüchtige aus Deutschland persönlich zur Casino-Premiere eingeladen. Franz Müller-Spahn und Jürgen Margraf, «Wenn Spielen pathologisch wird», Karger Verlag Basel; Preis: 40 Franken. Fachstelle für Spielsuchtprävention «Careplay»: www.careplay.ch; Tel 041 367 48 47
Spielsucht hinterlässt biochemische Spuren im Hirn und bewirkt körperliche Abhängigkeit NIK WALTER Berlin - Wenn das Spiel zur Sucht wird, leiden das soziale Umfeld und das Portemonnaie des Zockers aber auch sein Körper. Das «Gamblen» macht den Spieler nicht nur psychisch abhängig, es bewirkt ähnlich wie bei Alkoholikern oder Heroinabhängigen auch körperliche Abhängigkeit. Und die zeigt sich vor allem im Gehirn: Die biochemischen Spuren, die Spielsucht in den Hirnwindungen hinterlässt, gleichen denen einer Heroin- oder Alkoholabhängigkeit fast aufs Haar. Ob beim Junkie, Raucher oder Zocker: Die Hirnareale, die zum «Belohnungssystem» gehören, sind bei jeder Art von Sucht und bei allen Süchtigen in ähnlichem Ausmass überaktiv. Zudem reagieren Spielsüchtige und Cannabisab- hängige auf Sucht auslösende Reize mit einem praktisch identischen Muster an Gehirnströmen, wie die deutsche Suchtforscherin Sabine Grüsser von der Humboldt- Universität in Berlin vor wenigen Monaten auf der Jahrestagung der Society for Neuroscience vermeldete.
Für Ihre Experimente untersuchte Grüsser jeweils 15 Spielsüchtige und Cannabisabhängige und verglich sie mit ebenso vielen nicht abhängigen Gesunden. Den Testpersonen zeigte Grüsser fünf verschiedene Bilder: ein emotional neu trales (Wäschekorb), ein emotional positives (drei junge Hunde), ein emotional negatives (Zahnarzt), ein auf die Sucht bezogenes Bild (bei Gamblern ein Spielautomat, bei Kiffern eine Cannabispflanze) und ein Bild einer anderen Sucht (eine Stange Bier). Grüsser mass dann verschiedene körperliche Reaktionen der Testpersonen auf die einzelnen Bilder unter anderem die Hirnströme. Dabei zeigte sich, dass das Hirn von Zockern beim Betrachten des Spielautomat-Bildes viel heftiger reagierte als bei Nichtspielern. Ähnlich starke Reaktionen riefen (bei allen Probanden) einzig die beiden emotionalen Bilder hervor. Praktisch das gleiche Bild ergab sich bei den Kiffern: Sie reagierten auf das Bild der Cannabispflanze besonders stark, während es Nichtkiffer praktisch ignorierten. Auf Grund ihrer Ergebnisse glaubt Grüsser nun, dass alle Süchte - egal, ob stoffgebunden oder nicht - im Hirn die gleiche Reaktion auslösen. Als Nächstes möchte die Forscherin vor allem nichtstoffliche Süchte ins Visier nehmen: Sie plant Studien mit Sex-, Börsen- und Arbeitssüchtigen.
Quelle: Sonntagszeitung
Das Kompetenzzentrum für Spielsuchtprävention ist eine Anlauf- und Vermittlungsstelle : Wir helfen weiter, wenn das Spiel mit dem Glück zum Problem wird.
Neben der Ersthilfe für Betroffene kümmern wir uns um die Vernetzung mit öffentlichen und privaten Institutionen.
careplay informiert die Öffentlichkeit über Spielsucht, betreut die Schulung von Casinopersonal und unterstützt die Casinos in der Information ihrer Gäste.
Die Aktivitäten der Fachstelle sollen mögliche Risiken beim Spiel und die damit verbundenen negativen Folgen einzelner Casinogäste auf sozialer, psychischer und finanzieller Ebene vermindern.
Das Kompetenzzentrum für Spielsuchtprävention careplay ist innerhalb der HSA Luzern am Institut WDF angegliedert.
careplay erfüllt das Sozialkonzept gemäss den Bestimmungen des Spielbankengesetzes und die in der dazugehörigen Verordnung beschriebenen Erfordernisse des Sozialschutzes.
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